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Gero Gries: Virtuelle Bilder

Digitale Bilder bestehen aus elektronischen Daten und ermöglichen umfassende Nachbearbeitung. In sofern ähneln sie Gedankenbildern und sollten eigentlich direkt in das Gehirn des Betrachters eingelesen werden. Da dies noch nicht möglich ist, gehe ich den Umweg über hochauflösende Repromedien zum Fotoabzug. Aus einem digitalen Bild, das sich ohne Verlust unendlich vervielfältigen läßt, entsteht ein klassisches Auflagenobjekt.

Faszination entsteht für mich durch die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Arbeitsweise. Ich baue meine eigene Stadt, meine eigene Frau, beobachte die Transformation einer Kaffeetasse in eine Gießkanne, inszeniere eine Kamerafahrt durch die eigenen Blutgefäße. Es ist Oberfläche und Simulation, was das Wesen von Werbung und Unterhaltung und die eine Seite der Kunst ist.

Die andere Seite der Kunst, die ich mit dem Begriff "Erforschung des Wesentlichen" grob umreissen möchte, wird in den Sujets wiedergespiegelt. Meine Sujets entwickele ich mit einer Mischung aus Sorgfalt und Sorglosigkeit. Manche entstehen in meiner Vorstellung, wie eine Luftblase an die Oberfläche treibt. Diese Bilder im Kopf sind in sich meist perfekt, die Schwierigkeit liegt in der adäquaten Realisierung. Andere, die ich als Vorlage in der Außenwelt vorfinde, müssen zunächst durch Vergessen und Umformen assimiliert werden. Wenn ich mir die Vorlage angeeignet habe, wird sie im Wechsel von Absicht und Zufall realisiert. Wichtiger als Hinzufügung ist dabei Weglassung. Durch Reduktion und Differenzierung der Bildkomponenten entsteht eine Verdichtung des Bildinhaltes, bis er meiner Vorstellung entspricht. Durch diese Optimierung entsteht eine Zuspitzung des Bildes, die ohne die sichtbare Hinterlassung von Spuren im Bild selbst, wie z. B. in der klassischen Ölmalerei, nur in digitalen Medien möglich ist.

Interessant ist im Zusammenhang mit meinen Arbeiten die Frage der Existenz durch Abbildung, die sich durch die Realitätsanlehnung, der Gratwanderung zwischen Fotografie und Nichtfotografie, erneut stellt. Im Bereich des Filmes haben wir uns längst daran gewöhnt, weil dort ohnehin alles simulativ ist, so akzeptieren wir fasziniert, daß sich ein Mann in flüssiges Metall verwandeln kann. Bei einem Foto, oder besser einem Standbild, liegt der Fall noch ein bißchen anders, obwohl wir uns der Möglichkeiten der Fotobearbeitung bewußt sind. Ein fotorealistisches Bild, wie wir es besser nennen sollten, hält still. Der Dialog ist auf ganz andere Weise möglich als bei einer fortlaufenden filmischen Geschichte. Es läßt mir Zeit mich anzunähern, mit assoziativen Methoden einen eigenen Zugang zu finden.

Tatsächlich ähnelt die Bildentwicklung nur wenig dem Fotografieren, das ein Suchen nach dem richtigen Motiv, ein Warten auf die richtige Beleuchtung und dann instinktives Finden, Abdrücken im richtigen Augenblick ist. Computerbasierte Bildwelten sind im Detail viel genauer steuerbar. Das Verfahren ähnelt eher dem Modellbau. Die Abbildung aller Bildebenen ist gleichscharf, unabhängig von den physikalischen Handicaps einer Kamera. So lassen sich subjektive Perspektiven erstellen, die in der Fotografie nicht möglich sind. Es lassen sich sozusagen mehrere Blickwinkel in einem Bild vereinen. Eigentlich ist computergestützte Bildproduktion eine Fortsetzung der Malerei mit anderen Mitteln. Ein Modell (d. h. ein 3 D Drahtgitternetz des abzubildenden Gegenstandes) wird geformt, Oberflächentexturen, Beleuchtung und Blickpunkt werden festgelegt, hier wird ein Stück eigene Haut eingescannt und taucht vervielfältigt auf der Oberfläche einer menschlichen Figur auf, dort werden ein paar Parameter geändert, um eine Steinlandschaft zerklüfteter, eine Wasseroberfläche bewegter aussehen zu lassen. Im Unterschied zur Malerei ist der Computer als Werkzeug zwischen Künstler und Produkt geschaltet. Ich stelle die Softwareparameter ein und die Maschine errechnet ein Bild, das ich dann betrachte und in den Softwareparametern, also indirekt, verbessere. Diese größere Distanz zwischen Bild und Künstler beim Arbeitsprozeß, läßt mich gleichzeitig zum Schöpfer und zum Zeugen der Erschaffung werden.

Die bei der Bilderrechnung entstehenden Pausen haben durchaus etwas Kontemplatives, den ganze Vorgang könnte man als künstlerisches Briefschach bezeichnen. Diese Pausen dauern manchmal 2 Tage und mehr. Die Zeit vergeht, der Computer arbeitet, und irgendwann ist das Bild dann fertig. Wenn es den Vorstellungen entspricht, gut, wenn nicht, wird ein wenig geändert und nochmals gerendert, das ganze Bild oder nur ein Teil davon, bis das Mögliche erreicht ist.

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Yoichiro Kawaguchi

In dem Stück `Artificial Life Metropolis CELL` möchte ich dreidimensionale Computerbilder, also plastische Computerkunst, die auf dem Prinzip zellularer Modelle basiert, vom Standpunkt der Kunst aus darstellen. Die Selbstorganisation des dreidimensionalen Raums, der sich aus einer Masse von `Voxel` zusammensetzt, kann einen sich komplex ändernden Raum hervorrufen. Die Idee entspringt der Theorie der Selbstautomatisation im zweidimensionalen Raum. Ein Modell, das auf einem dreidimensionalen Zellmodell basiert, kann aus einer sehr einfachen Grundformel unvorhersehbare, zerbrechliche Vibrationen entstahen lassen. Wir verwenden ein Gitternetz von Koordinaten, um Leben und Tod der Zellen im dreidimensionalen Raum zu simulieren. Den Begriff `Voxel` wenden wir für die Grundeinheit eines zellularen Würfels im Koordinatensystem an. Eine Gruppe von `Voxel` bildet dabei ein dreidimensionales Objekt, so wie Millionen von Zellen in der Natur lebendige Formen ergeben. Es handelt sich dabei um eine künstlerische Anwendung der dreidimensionalen Zellautomatisationen. Der Erfolg des selbstorganisierenden Systems ist also abhängig von der Animation des dreidimensionalen Kunstwerks, die der Gegenstand der Experimente innerhalb des Kontextes des Voxel-Raums ist."

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Gerhard Mantz

...Beim 3D-Modelling können sich verschiedene Körper und Materialien durchdringen, ohne Masse und ohne Gewicht. So sind Konstruktionen möglich, am Rande des Vorstellbaren, Dinge die gegenständlich sind und doch unbekannt.

Die Objekte schweben in einem luftleeren Raum, ohne Größenmaß. Achsen- oder punkt-symmetrisch sind sie auf sich selbst gerichtet, auf ihr eigenes Zentrum. Ihre Konstruktion ist nicht an der Schwerkraft orientiert, an oben und unten, wie etwa bei Häusern oder Bäumen. Eher gleichen sie Raumstationen, Mikroorganismen oder Atommodellen. Sie sind losgelöst von allen Orten, heimatlos und zeitlos. Im Innnern bilden sie zerklüftete Höhlen, trügerische Falten — verloren wer sie betritt.

Diese virtuellen Fotografien sind großformatige Bilder auf Cibachrome, die hinter spiegelnder Oberfläche hochglänzende, reflektierende Körper zeigen. Ihre hyperrealistische Präzision läßt die Sinnlichkeit der dargestellten Körper und Räume zu eiskalter Distanz gefrieren.

Sie entwickeln einen Realismus, der die Welt vom Code, von der Struktur, von der Idee her aufbaut. Es sind keine Abbilder der Wirklichkeit sondern parallele Welten, die real anmuten.

Ziel ist es den Bereich zu erforschen, der zwischen reiner Erfindung und realer Dinglichkeit liegt. Ich entwerfe Objekte und Umgebungen, die zwar Raum und Material zeigen, aber keine wiedererkennbare Gegenständlichkeit.

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Yves Netzhammer

Ich beschreibe einen Fisch mit dem Bild von einem Kamel, das ein Pinguin gemacht hat.

Ich suche Medialisierungen, die mein Verständnis von Wahrnehmung und Wirkung nachvollziehbar machen. Im Zentrum meiner Suche steht die Betrachtung des Körpers, an dem sich die empfangenen Mitteilungen, Erfahrungen und Wertungen zeigen. Der Körper ist Lexikon und Grammatik einer Sprechweise, die auf eine eigentümliche Weise Fragen über subjektive und gesellschaftliche Verhältnisse zu stellen beginnt.

Von der Wahrnehmung, den sich daraus entwickelnden Sprachformen bis zu Tätigkeiten arbeiten wir mit Markierungen und Verortungen von Unterscheidungen. Mit den Auswirkungen solcher Unterscheidungen und Verbindungsmuster entstehen Vorstellungen von Wirklichkeiten, welche Bewertungen der Handlungen bezüglich ihrer Umgebung und umgekehrt definieren. In meiner Arbeit interessieren mich Ordnungen (Bauweisen, Materialien, Orte), welche ihre bewertete Gestalt im Dialog mit der Wahrnehmung darstellen.

Die hergestellte Differenz ist die Ursache einer Veränderung dieser Ordnungen.

ch konstruiere bildnerische Unterscheidungen, deren Verbindung die Form des Betrachtens bearbeiten.

Mit bekannten Gegenständen versuche ich über kennengelernte Verhältnisse zu reden, sie zu verschieben, um mir über ihre Gesetze bildnerische Fragen zu stellen. Erfahrene Grenzziehungen werden bei vorgeschlagenen Verschmelzungen aktualisiert und bearbeitet. Der Gegenstand ist nicht Instrument, sondern wird Bestandteil des Körpers.

Die Ungewohntheiten provozieren nicht Abwesenheit des kennengelernt Sinnvollen. Siesuchen in ihrer Eigenwilligkeit (Motive, Tiere, Ironie, Witz, Provokation, Atmosphären) mit bildnerischen Eigenschaften Sprachformen, welche in ihrer Vergegenständlichung nicht ideologisch vereinfacht werden können und mir meiner Situation angemessen erscheinen.

Die Struktur der Arbeit konstruiert wandelnde Entscheidungsmomente des Betrachters. Sie fordert ihn heraus, die Thematik auf vielgestaltigem Terrain in dialogischer Weise mit seinen eigenen Erfahrungen zu überprüfen. Die Bilder werden zu Handlungen.

Die Ästhetik meiner Selbsttäuschung hat das Ziel, von mir als Ästhetik eines Anderen begriffen zu werden.

Nietzsche unterscheidet zwischen Täuschungen, die dem Menschen schaden, und Täuschungen, die als Stimulanzien des Lebens wirken.

In meinen simulierten Anwendungssituationen spielt die "freie Lüge" mit den Elementen des funktionierenden Diskurses, verwechselt sich mit der Funktionalität des Anderen und macht die Zeit für diese Unterscheidungen uninteressant.

Meine Arbeitsweise benützt die Struktur des Computers, welche mir ermöglicht, aus meinen Bildvorstellungen ein weiterzuentwickelndes Vokabular zu gestalten, das in momenthafter Verfügbarkeit Vorahnungen realisieren kann. Die Handlungssituation mit Zeichen wird zum Kriterium der Veränderung von Sprechweisen. Dazu entwickelte ich eine Technik, die zwischen Malerei und Photographie mit medienspezifischen Eigenschaften den gedachten Beziehungen entspricht. Die Arbeit definiert sich aus ihrer Bildhaftigkeit, Inhalt und Form sind aus ihr heraus entwickelt. Ein obsessiver Versuch, Darstellungen zu suchen.

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An e-mail discussion held in spring 1999 between Andreas Jürgensen, curator of the exhibition "Digital Solskin" in Kunsthallen Brand's Klaedefabrik, Odense, Denmark, and the artists. First published in the catalogue for this show.

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